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Pass auf dich auf – Marie engagiert sich bei XR

Der Satz, den die 21-jährige Marie häufig hört, wenn sie von Extinction Rebellion erzählt, ist: Pass bloß auf dich auf.

Zugegebenermaßen ging es mir nicht anders. Mit dem roten lang geflochten Zopf, ihrer ruhigen, überlegten Art und der zierlichen Figur, scheint es erstmal schwer vorstellbar, dass sich die junge Frau auf der jährlichen Aktionärsversammlung eines Großkonzerns einschleicht, um sich mit einem Statement-T-Shirt „Act Now“ an einem Geländer festzukleben.

Doch Marie ist richtig wütend. Sie sieht ihre Zukunft und die der Gesellschaft in echter Gefahr: „Es muss einen eklatanten Richtungswechsel in der Klimapolitik geben und zwar jetzt.“ Die Stipendiatin im Studienförderwerk Klaus Murmann und Geografie-Studentin an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg hat sich zunächst der Grünen Jugend in Bamberg angeschlossen. Das schien ihr logisch, schließlich ist sie vor allem durch ihren Vater zum Öko erzogen worden. Doch es war ihr dort nicht grün genug; es gab zähe, langwierige Diskussionen und keine Resultate.

Dann hat sie Leute von Extinction Rebellion (XR) kennengelernt und sich kurzerhand angeschlossen. XR heißt übersetzt: Aufstand gegen das Aussterben. 2018 hat sich diese Bewegung in Großbritannien gebildet und war schnell international vertreten. XR ist dezentral mit Ortsgruppen organisiert, agiert strikt gewaltfrei und hat zehn Prinzipien zur Grundlage. Die Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Regierung den ökologischen Notstand ausrufen soll und möchte diese mit gewaltfreien und zivilen Ungehorsam dazu bewegen. Außerdem soll die vom Menschen verursachte Treibhausgas-Emissionen 2025 auf „Netto-Null“ gesenkt sein, sprich, das natürliche Gleichgewicht des Treibhausgas-Systems soll wieder hergestellt worden sein. In das parlamentarische System sollen Bürger*innnenversammlungen, die per Losverfahren ausgewählt wurden und über verschiedene Themen beratschlagen, implementiert werden.

Die blockierten Verkehrsknotenpunkte in internationalen Großstädten während der „XR-Protestwoche“ im Oktober 2019 sind wohl den meisten Bürger*innen noch im Gedächtnis. Die Bewegung ist durchaus umstritten. Jutta Ditfurth, Mitbegründerin von Bündnis 90/Die Grünen und dem linken Flügel der Partei angehörend, twitterte beispielsweise, XR sei eine esoterische Weltuntergangssekte und warnt davor, dort mitzumachen.

Marie ist sich der Kritik bewusst. Sie glaubt zwar, dass XR mehrheitsfähig sei, weil alle Gesellschaftsschichten von dem Klimawandel betroffen sind, findet jedoch, dass es schwierig sei, alle an Bord zu holen. Sie sieht deshalb die Klimabewegung als Ganzes. Greenpeace, Fridays for Future, Ende Gelände usw. leisten ihren Beitrag und machen Druck auf die Politik. Und jede Bewegung hat eben ihren eigen Duktus.

Der Studentin gefällt vor allem der pragmatische Prozess des Entscheides bei XR: Eine Aktion wird vorgeschlagen, es wird geprüft, ob sie konform mit den zehn Prinzipien ist und dann wird gefragt, ob es ein Veto gibt. „Auf die Art und Weise ist die Aktion erstmal gesetzt und es wird nicht diskutiert, ob sie überhaupt stattfinden soll“, berichtet die junge Frau und ihre blauen Augen leuchten. Jede Person entscheidet in der Bamberger Ortsgruppe nur für die jeweilige Aktion, ob und wie sie sich einbringen möchte. „So gibt es keine festen Ämter und alle machen irgendwie alles.“ Marie kümmert sich derzeit um die Vernetzung zwischen den Ortsgruppen in Franken, Bayern und Berlin. Und sie plant Aktionen. Nach jeder Aktion wird reflektiert, was gut und was schlecht lief. So gab es beispielsweise die Kritik nach der „Wave“ 2019, dass durch die Straßenblockaden Einzelpersonen behindert wurden, die Politik selbst aber nicht direkt betroffen war.

„Zuviel Aktivismus kann frustrierend sein“, erzählt Marie zögerlich. Gerade weil die XR-Forderungen so ambitioniert sind, gäbe es kein unmittelbares Ergebnis und wenn der Adrenalinspiegel nach einer Aktion wieder gesunken ist, fiele es manchmal schwer, neue Motivation zu finden. Der Austausch untereinander helfe und manchmal wird auch geraten, ein wenig kürzer zu treten, um nicht auszubrennen.

Bild von Marie. Sie engagiert sich bei Extinction Rebellion.
Imagebild von Extinction Rebellion
Imagebild von Extinction Rebellion
alle Fotos: privat