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Fatbardh: „Mir war es wichtig zu beschreiben, dass innere Brüche neuen Raum schaffen.“

Wir sprachen mit Fatbardh, Alumnus Studienförderwerk Klaus Murmann, Herausforderung Unternehmertum und Studienkompass, über seine Lyrik und Empowerment.

Im Dezember 2021 ist dein erster Lyrikband Zwischen den Rissen im Re:sonar Verlag erschienen. Wovon handeln deine Gedichte?

Ich schreibe Gedichte entlang zwischenmenschlicher und innerer Bruchkanten: Mein Ziel war es, mit einer ausgeprägten Klarheit über den plötzlichen Verlust meines Vaters und die Folgen auf das Ausleben meiner eigenen Identität zu sprechen. Dabei spreche ich in Themen wie Migration, Sexualität und natürlich auch Verlust und Liebe über unterschiedliche Sehnsüchte. Diese Sehnsüchte beziehen sich immer darauf sich selbst zu finden, seine Identität und auch Vergangenheit zu akzeptieren.

Was hat es mit dem Titel auf sich?

Die zentralen Fragen, die ich mir beim Titel gestellt habe, waren: Wo steht die Leserschaft vor, während und idealerweise nach dem Leseprozess? „Zwischen den Rissen“ beschreibt den Zustand zwischen Schmerz und Hoffnung, Liebe und Vergebung, Sehnsucht und Erfüllung und die Lehren, die wir am Ende unserer individuellen Erfahrungen ziehen und ziehen sollten. Mir war es wichtig zu beschreiben, dass innere Brüche neuen Raum schaffen. Für neuen Schmerz, aber auch neues Glück.

Auf Instagram erzählst du, wie schwer die Coversuche war. Kannst du uns etwas über das Titelbild erzählen?

Der Titel und das Cover sollten im Einklang zueinanderstehen. Ich wollte etwas Zeitloses, etwas, was uns schon über Generationen lang beschäftigt. Das Cover stellt für mich eine Analogie zum Ableben dar: Was ist von uns übriggeblieben, wenn wir nicht mehr hier sind? Welches Licht konnten wir trotz unserer Bruchkanten freisetzen? Grundsätzlich wollte ich etwas, was ich ästhetisch ansprechend finde. Der Verlag hat mich bei der Umsetzung dieser Vision unterstützt.

Wann hast du angefangen zu schreiben und wie kam es zur Veröffentlichung deines Lyrikbandes?

Ich halte nichts davon zu sagen, man habe alles im Leben allein geschafft. In der Kunst- und Medienbranche besteht meiner Auffassung nach noch viel zu sehr die Haltung, dass man von Anfang bis Ende „Independence Day“ spielen muss. Ich glaube das hält Talente zurück, mutig zu sein. Als ich mein Manuskript fertig hatte, habe ich es im Re:sonar Verlag eingereicht. Es war mein erster Versuch. Einige Zeit später kam die Zusage, bis heute etwas, was ich nicht richtig greifen kann. Der Re:sonar Verlag hat meine Kunst mit sehr viel Liebe und Achtung behandelt.

Wie gestaltet sich dein Schreibprozess?

Ganz unterschiedlich. Lyrikerinnen und Lyriker schreiben schon lange nicht mehr nur mit Feder und Papier (haha). Manchmal bin ich unter vielen Menschen und tippe Notizen in mein Handy, manchmal bin ich aber auch nur für mich. Ich brauche aber immer ein gewisses Level an Entspannung und Aufregung zugleich. Das ist abgefahren und auch ein Gefühl, das ich erst seit Neuestem wirklich verorten kann. Zwingen kann ich mich aber nie. Da entstehen Sachen, mit denen ich dann nicht so zufrieden bin.

Wie beeinflusst deine Fluchterfahrung und das Leben in der Diaspora dein Schreiben?

Ich bin als Kind zweier „frisch“ Geflüchteter in Deutschland geboren. Mein Leben in Deutschland hatte eine besondere Vorprägung ohne, dass ich jemals hätte darüber entscheiden können. Ich habe viele Privilegien, fühlte ich mich in meinem Leben oft aber auch desprivilegiert. Daraus ist viel Schmerz entwachsen, aber auch einer der wichtigen Haupttreiber für mein Schreiben. Menschen in der Diaspora leben oft zwischen den Stühlen. „Zwischen den Rissen“ stellt eine Analogie zu dem Schmerz dar, den viele Menschen in der Diaspora aufgrund ihrer unterschiedlichen traumatischen Erfahrungen wie Diskriminierung oder Rassismus erleben, aber vielleicht nicht immer erklären können.

Wen willst du mit deiner Lyrik erreichen und was willst du mit ihr bewirken?

Menschen, die auf der Suche nach ihrer echten Identität sind. Sei es ihre queere Identität oder ihre Identität in der Diaspora (oder beides). Ich möchte aber auch Menschen erreichen, die Menschen verloren haben. Auch Menschen, die mit all dem, nichts zu tun haben, möchte ich mit meiner Lyrik erreichen.

Zwischen den Rissen ist jetzt in der zweiten Auflage. Wie fühlt sich das an? Was planst du für die Zukunft?

Als mir der Verlag erzählt hat, dass mein Buch vier Tage nach offiziellem Release ausverkauft war, musste ich mich erst mal hinsetzen. Ich hätte nicht gedacht, so viele Menschen in kurzer Zeit erreichen zu können. An dieser Stelle geht ein großes Danke an meine Leserschaft raus. Ich fühle mich sehr gut. Ich bin froh etwas festgehalten zu haben, was für andere zugänglich ist. Ich plane Lesungen in vielen Städten des deutschsprachigen Raums und auch Sachen, über die ich noch nicht sprechen kann. Wer mir aber auf Instagram folgt (@kcheekoo), wird sicherlich nichts verpassen. Ansonsten möchte ich mich meiner Liebe zum Schreiben widmen, das allerdings dann nur für mich allein.

Doch du schreibst nicht nur. Du bist unter anderem Mitbegründer der Initiative Diversity Mentoring Deutschland. Inwiefern unterscheidet sich dein Engagement als Schreibender von deinem Engagement in dieser Initiative?

Diversity Mentoring Deutschland ist ein soziales Projekt, das 2019 gegründet wurde. Wir fördern Diversität und Inklusion im Mentoring. Dafür vernetzen wir bestehende Mentoringprogramme, die das Empowerment von benachteiligten jungen Menschen fördern und bieten Weiterbildungsangebote für sowohl Mentees als auch Mentorinnen und Mentoren an. In meiner Vergangenheit habe ich bereits für den Young Migrants Blog der Rosa-Luxemburg-Stiftung geschrieben und über rassistische Diskriminierung in deutschen Behörden berichtet. Die Motivation ist in beiden Fällen ähnlich: Leute sollen sich sehen können. Im Geschriebenen ihre Erfahrungen wiedererkennen, bei der Projektarbeit sich über diese austauschen können.  Als Schreibender habe ich den Raum, meine Perspektive zu den Herausforderungen in unserer Gesellschaft zu geben.

Die Inititative Diversity Mentoring Deutschland wurde 2019 von Heinz Nixdorf Stiftung und der Stiftung der Deutschen Wirtschaft im Rahmen von Herausforderung Unternehmertum gefördert. Wie lief die Förderung ab und welche prägenden Erfahrungen konntest du aus dieser Zeit mitnehmen?

Ich habe mit 22 Jahren das erste Mal gegründet. Das war auf vielen Ebenen herausfordernd, denn ich gehörte zu den jüngsten im Team. Als junge Person bekommt man nicht oft die Chance, Erfahrungen im Bereich Führung zu sammeln. Vor diesem Hintergrund war es mir aber auch eine große Freude, genau das ausprobieren zu können. Als Teamleitung war ich für die Anliegen der Teammitglieder verantwortlich und habe den Entwicklungsprozess unseres Projektes aktiv begleitet. Ich stellte zudem fest, dass es uns sehr gut gelungen ist, eine offene und konstruktive Kommunikationskultur entwickeln zu können. Das war super und hat maßgeblich zum Erfolg des Projektes beigetragen. Mit der Förderung von Herausforderung Unternehmertum war es uns möglich einen strukturierten Organisationsaufbau zu implementieren. Bestandteil der Förderung war auch ein regelmäßiger Austausch durch Coaching. Hier haben wir über unsere Entwicklungen und Herausforderungen gesprochen. Allein im Gründungsjahr ist es uns gelungen in vier Bundesländern zu arbeiten, dutzende Programme miteinander zu vernetzen und vor allem eins: Empowerment zu machen.

 

Vielen Dank für das tolle Gespräch!

 

 

 

 

Foto: Re:sonar Verlag