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sdWerte – Geförderte, Alumni, Mentorinnen & Mentoren zeigen Flagge

Kompetenzen entwickeln, um den eigenen Weg zu gehen

Es gibt Vieles, das Jugendliche zum Ende der Schulzeit hin beschäftigt. Neben all den Themen, die zum Erwachsenwerden dazu gehören, ist auch eine Frage ganz zentral: Wie geht es nach der Schule eigentlich weiter?

Seit vielen Jahren entwickelt die sdw Programme und Konzepte, um Jugendliche beim Übergang von der Schule in die Ausbildung oder das Studium optimal zu begleiten. Diese langjährigen Erfahrungen und Methoden bringen wir aktuell im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit bundesweit in die gymnasiale Oberstufe ein (mehr zum Projekt). Mit Unterrichtsmaterialien, die länderspezifisch angepasst werden, sollen Lehrkräfte und Berufsberaterinnen und Berufsberater der Agenturen für Arbeit noch besser gemeinsam den Orientierungsprozess der Jugendlichen begleiten. Um eine möglichst große Praxisnähe zu erreichen, sind beim Entstehungsprozess der Handbücher immer Lehrkräfte und Berufsberater/innen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit und der Kultusministerien eng beteiligt. In Schleswig-Holstein waren Martina Zander seitens der Regionaldirektion Nord und Dr. Gunnar Meyer auf Seiten des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur dabei. Anlässlich der offiziellen Vorstellung des Handbuches in Kiel haben wir mit den beiden über die Bedeutung des Themas und die Arbeit der letzten Monate gesprochen.

Berufliche Orientierung in der Sekundarstufe II war viele Jahrzehnte lang nur sehr klein im Lehrplan geschrieben. Warum ist es so wichtig, dass es hier mittlerweile viele Veränderungen gibt?

Dr. Gunnar Meyer: Dass es bislang versteckt war, muss ich natürlich bestreiten. Wir haben in Schleswig-Holstein tatsächlich für die Gymnasien 2008 ein landesweites Konzept auf den Markt gebracht, das auch für die Oberstufe dezidiert Schwerpunkte gesetzt hat. Es ist also keine Brache, die wir bespielen. Trotzdem gibt es aber gute Gründe dafür, jetzt noch mehr zu machen. Die Quote der Abiturientinnen und Abiturienten hat sich in den letzten zehn Jahren von etwas über 30 auf etwas über 40 Prozent erhöht. Deutlich mehr junge Menschen machen Abitur und stehen auch einer deutlich größeren Auswahl an (Aus-)Bildungswegen gegenüber. In Folge des Bologna-Prozesses hat sich die Zahl der Ausbildungsmöglichkeiten, vor allem der Studiengänge, derartig vervielfacht, dass kein Mensch so einfach den Überblick behalten kann. Eine Prozesskompetenz, also eine Anleitung, wie ich mich in diesem Dschungel orientieren kann, ist deswegen unbedingt erforderlich – auch, um die hohen Abbruchquoten zu senken. Das sind schon mal einige Punkte, die plausibel machen, warum wir heute mehr machen müssen als vor zehn Jahren notwendig gewesen ist.

Martina Zander: Ich kann das nur unterstützen. Im Zuge von demografischer Entwicklung, zunehmender Digitalisierung und einer enorm hohen Anzahl von möglichen Ausbildungsberufen und möglichen Studiengängen, ist es natürlich ganz wichtig für junge Menschen für sich zu identifizieren, was der richtige Weg sein könnte. Das gilt insbesondere auch für die Sekundarstufe II. Das Handbuch bietet eine gute Gelegenheit, die Gedanken der jungen Menschen hierzu in die richtigen Bahnen zu lenken. Das brauchen wir ganz dringend.

Sie stehen für die Institutionen und Beteiligten, die mit dem Handbuch noch besser zusammenarbeiten sollen – nämlich die Lehrkräfte und die Berufsberater/innen. Wo lagen bislang die Hürden, was könnte durch die Materialien jetzt besser werden?

Martina Zander: Wir haben sicherlich das Problem, dass wir mitunter gar nicht unmittelbar in Kontakt miteinander treten – oder noch zu wenig. Jede Form von Austausch ist an der Stelle  vorteilhaft. Die Lehrkraft betreut die Schülerinnen und Schüler dort, wo sie sich sowieso jeden Tag aufhalten. Die Beratungsfachkraft bringt das fachliche Know-how mit ein. Dieser Austausch ist im Sinne des Jugendlichen vorteilhaft. Wenn dann noch weitere Netzwerkpartner dazu treten, die auch Wertvolles dazu beitragen können, dann ergibt sich ein rundes Bild für den jungen Menschen.

Dr. Gunnar Meyer: Berufliche Orientierung ist ja im Wesentlichen ein Prozess des jungen Menschen selbst. Wir können das nur von außen anstoßen und zwar von zwei Seiten. Wenn die Impulse, die wir geben können, um diesen Prozess voranzutreiben, aufeinander abgestimmt sind, dann ist die Chance, dass tatsächlich etwas bewegt wird, größer.

Wie sehen Sie ganz konkret die Rolle der Lehrkraft und der Berufsberaterin oder des Berufsberaters im Orientierungsprozess der Jugendlichen? Was ist für Sie das Wichtigste, was die Lehrkräfte bzw. die Beratungskräfte zu diesem Prozess beitragen können?

Dr. Gunnar Meyer: Um es ganz holzschnittartig darzustellen: Die Lehrkräfte kennen die jungen Menschen am besten, weil sie sehr viel Kontakt zu ihnen haben. Die Beratungsfachkräfte wissen hingegen genau, welche Optionen den jungen Menschen offen stehen. Das beides muss sich sinnvoll ergänzen. Es soll ja eine individuelle Begleitung dabei herauskommen. Dafür muss die Persönlichkeit der Schüler/innen im Mittelpunkt stehen Sie sollen strukturierte Einblicke in für sie passende Optionen erhalten.

Martina Zander: Die Lehrkräfte an der Schule haben ja ganz andere Möglichkeiten, die Schüler/innen bei der Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Interessen zu unterstützen. Dabei lernen sie die Jugendlichen automatisch ein Stück weit kennen – auch ihr soziales Umfeld. Wenn man als Lehrkraft das Handbuch nutzt und die strukturierte Berufsorientierung anstößt, dann kann man das fachliche Know-how über die Möglichkeiten von Ausbildung und Studium sehr gut über die Berufsberaterinnen und -berater dazu holen. Wir sind jetzt mit der lebensbegleitenden Berufsberatung noch stärker an den Schulen präsent, das heißt, dieser Austausch kann jetzt unmittelbarer stattfinden. Insofern verknüpfen sich beide Seiten sehr gut.

Sie haben beide in den letzten Monaten intensiv an der Entstehung des Handbuchs mitgearbeitet, das Sie nun in den Händen halten. Worüber freuen Sie sich am meisten, wenn Sie auf das Ergebnis schauen?

Martina Zander: Aus Sicht der Bundesagentur für Arbeit ist das Thema Berufsorientierung natürlich immer schon sehr präsent und sehr wichtig und bedeutend. Ich finde es wunderbar, dass jetzt auch das Land deutliche Signale gesendet hat und sagt: „Uns ist das Thema auch enorm wichtig! Wir wollen das platzieren und wir wollen auch den Rahmen bieten, um das Thema  wirklich zu leben.“ Das zeigen ja ganz viele Indizien, z. B. die Anzahl von zehn Handbüchern pro Schule, die ermöglicht wurden. Oder diese heutige große Veranstaltung, auf die noch umfängliche Implementierungsveranstaltungen nachfolgen werden. Und es ist ein Zeit- und Personalkontingent geplant – das alles sind Punkte, die uns gut gefallen! Im zukünftigen Landeskonzept Berufsorientierung werden darüber hinaus auch noch mehr Struktur, mehr Handlungsorientierung und auch mehr Flächenangebote platziert werden. Diese Entwicklungen gefallen uns natürlich sehr.

Dr. Gunnar Meyer: Mich freut tatsächlich am meisten das Timing. Ein gutes Materialangebot ist das eine, aber man braucht dafür natürlich auch eine plausible Nutzungsmöglichkeit. Dass wir diese in der Oberstufe von Gymnasien und Gemeinschaftsschulen künftig haben werden, das passt sehr gut zusammen und erleichtert es sicher. Zeitressource und Materialangebot zusammen sind gute Voraussetzungen dafür, dass Lehrkräfte damit dann auch etwas anfangen können.


Foto: Axel Nickolaus/sdw
Foto: Axel Nickolaus/sdw