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„Wir haben uns eben gedacht: Warum nehmen wir nicht einfach das, was eh schon da ist?“

Wie aus Maschinenbauern und Philosophen Pioniere der Nachhaltigkeit werden, aus Reststoffen Textilien entstehen und warum die Aussage „Timing ist the key“ tatsächlich den Schlüssel zum Erfolg bedeuten kann – Julian Mushövel, Alumnus des Studienförderwerks Klaus Murmann und Mitgründer des Unternehmens revoltech, gibt uns Antworten auf diese Fragen.

Julian Mushövel ist ehemaliger Stipendiat des Studienförderwerks Klaus Murmann und zeigt, dass der eigene Weg einen ganz anderen Verlauf nehmen kann, als geplant und sich neue - manchmal passendere - Möglichkeiten auftun können. Sofern man sich denn traut.

Angefangen als Maschinenbau-Student und später Promovierender an der TU Darmstadt, stellte sich Julian irgendwann die Frage: Will ich die Promotion durchziehen, um am Ende zwei Buchstaben vor meinem Namen zu haben? Oder möchte ich gleich in die Industrie einsteigen?

Was letztlich eintraf, hatte Julian gar nicht vorhergesehen:

„Das war vom Timing wirklich ein bisschen absurd.“

Mein alter Schulfreund Lucas fragte mich damals nach einem Kontakt zur TU Darmstadt, um sich für ein Stipendium zu bewerben. Er wolle seine Idee nun endlich ernsthaft angehen und zusammen mit seinem ehemaligen Mitbewohner Montgomery ein Start-up daraus machen. Ich kannte seine Idee bereits und meinte dann relativ schnell zu ihm: „Du Lucas, passt ganz gut vom Timing gerade. Ich habe nicht nur den passenden Kontakt für dich, ich mache da auch noch mit.“

Nun entwickelt ihr mit LOVR ja eine Lederalternative aus Reststoffen des Hanfabbaus – War einer von euch bereits vertraut mit der Herstellung von Textilien oder hat in dem Bereich studiert?

Weder noch. Lucas, von dem die Idee stammt, ist eigentlich Philosoph, Montgomery Politikwissenschaftler und ich eben Maschinenbauer. Als modeaffiner Student hat Nachhaltigkeit für Lucas jedoch schon immer eine zentrale Rolle gespielt und so hat er neben dem Studium ein Praktikum in einem Modeunternehmen gemacht, das für ihn einen entscheidenden Klickmoment darstellte: „Es muss besser gehen. Man muss Textilien irgendwie nachhaltiger herstellen können“. Und dann stieg er selbst in die Forschung ein.

Und wie seid ihr schließlich darauf gekommen, Hanf als Grundlage zu verwenden?

Die ersten Prototypen sind aus Bananenfasern entstanden – ein Reststoff, der schon früher zur Herstellung von Kleidung diente, dann jedoch von Baumwolle verdrängt wurde. Völliger Quatsch, wenn man bedenkt, dass Baumwolle extra für die Herstellung von Textilien angebaut wird, während Bananenfasern fast identische Eigenschaften aufweisen und einfach weggeschmissen werden. Und genau daraus entstand auch Lucas‘ Grundgedanke: „Warum nehmen wir nicht einfach das, was eh schon da ist?“

Weil es jedoch nicht im Sinne der Nachhaltigkeit ist, Bananen aus Südamerika nach Europa zu schaffen, um in Deutschland Textilien daraus zu machen, hat Lucas geschaut, was es hierzulande an Reststoffen gibt und ist dabei ziemlich schnell auf Flachspflanzen im Allgemeinen und auf Hanf im Speziellen gestoßen. In privaten und teilweise geförderten Forschungsprojekten hat er dann angefangen, das Projekt hochzuziehen – neben seinem Studium, noch dazu völlig fachfremd.

Was war euer bisher größter Erfolg?

Unser größter Erfolg ist gleichzeitig auch die größte Herausforderung: die Lederware industriell herzustellen.

Zu Anfangszeiten standen wir teilweise stundenlang in der Küche oder der Garage, um am Ende des Tages ein kleines Schnippelchen Leder in der Hand zu halten. Dabei war unser Anspruch von Anfang an, dass wir nicht etwa Portemonnaies daraus nähen lassen, sondern in erster Linie das Material herstellen wollen. Dafür braucht es eine Produktion, die die Lederware als Massenprodukt herstellen kann, d.h. Formate in 1000er Quadratmeter-Größe. Unser größter Erfolg in der Hinsicht ist, dass wir dies in Ansätzen schon geschafft haben: Wir haben unseren Prozess auf große Maschinen gebracht und konnten so Ende letzten Jahres ein erstes, brauchbares Material herstellen.

Wow, Glückwunsch. Und gab’s hingegen auch „Fuck-ups“?

Ich muss echt nachdenken, weil so wirklich schiefgelaufen ist bisher nichts (lacht). Eher Frustration hinsichtlich der deutschen Bürokratie, die das Gründen von Start-ups erschwert und einem bei einem derart schnelllebigen Business im schlimmsten Fall das Genick brechen kann.

Was nimmst du aus der sdw für euer Unternehmen mit?

Auf jeden Fall den Grundgedanken, das Mindset. Ich hatte vor der sdw-Zeit noch nie auch nur den Gedanken: „Ich gründe irgendwann mal meine eigene Firma“. Und auch währenddessen hatte ich keine Idee für ein Business. Aber dann bekommt man mit, was für andere Leute es gibt. So viele beeindruckende Persönlichkeiten, die mit Herzblut ihren Weg gehen. Das fand ich immer sehr beeindruckend.

Welchen Rat gibst du anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten mit?

Einfach machen. Sich trauen. Was soll schief gehen? Das schlimmste, was passieren kann, ist, dass man in zwei Jahren dasteht, es hat nicht funktioniert, und dann sagt man: „Gut, ich habe jetzt zwar kein Geld verdient, wie ich sonst hätte können, wenn ich gearbeitet hätte, dafür habe ich in den zwei Jahren mehr gelernt, als in meinem kompletten Studium davor – das ist unbezahlbar!"

Lieber Julian, vielen Dank für das Teilen eurer Geschichte und weiterhin viel Erfolg bei eurer Mission, die Welt ein bisschen nachhaltiger zu gestalten. 

Julian Mushövel, Lucas Fuhrmann und Montgomery  Wagner gründeten 2021 revoltech, um mit einer veganen Lederalternative namens LOVR die Mode und Möbelindustrie neu zu gestalten.

Mehr Infos auf Linkedin oder unter:  https://www.tu-darmstadt.de/universitaet/aktuelles_meldungen/einzelansicht_382336.de.jsp


Julian Mushövel Mitgründer Revoltech
Foto: Jan Schölzel
Revoltech Team
Foto: Jan Schölzel
Lovr Material
Foto: Jan Schölzel
Lovr Produkt
Foto: Jan Schölzel