Seit einigen Jahren arbeitet sie als Trainerin im Bereich Diversity und Anti-Rassismus und seit neustem auch als Antidiskriminierungsbeauftragte für die sdw.
Für Lima geht es bei Diversity nicht nur um den Einsatz gegen Diskriminierung und Benachteiligung, sondern vielmehr darum Räume zu schaffen, in denen Menschen über herausfordernde Dialoge zusammenwachsen können.
1. Wie bist du mit der sdw in Berührung gekommen und was waren Erfahrungen mit der Stiftung, die dir in besonderer Erinnerung geblieben sind?
Ich hatte das Glück, während meiner Promotion von der sdw gefördert zu werden. Diese Zeit hat mich und meine Arbeit nachhaltig geprägt. Ich glaube, am Wesentlichsten waren immer wieder die Begegnungen. Sie sind und waren wichtige Wegbegleiter für mich. Vorletztes Jahr habe ich den Kontakt zu sdWomen wiederaufleben lassen und bin einer Working-Out-Loud-Gruppe beigetreten, was eine wunderbare Form der kollaborativen Zusammenarbeit ist.
Darüber hinaus finde ich in der Fachgruppe „Ganzheitlichkeit“ wichtige Sparringspartnerinnen für vielfältige Themen, die uns alle verbinden: Wie schaffen wir es, unsere unterschiedlichen Ziele und Bedürfnisse miteinander zu vereinbaren? Wie lassen sich persönliche, berufliche und familiäre Entwicklungen in Einklang bringen? Wie können wir uns im Kreis engagierter Menschen gegenseitig unterstützen und empowern? Wir sind eine große Bereicherung füreinander.
Und die hauptamtlichen Mitarbeiter:innen der sdw sind einfach nur die Wucht. Ich habe selten eine Organisation erlebt, in der die Zusammenarbeit so offen, wertschätzend und konstruktiv war wie mit ihnen.
2. Du hast dich während Deiner Promotion mit dem Thema Rassismus befasst. Was waren Ergebnisse Deiner Arbeit?
In meiner Doktorarbeit habe ich mich mit Rassismus und Whiteness im US- Film befasst und die Komplexität von Rassismus in all seinen Facetten analysieren können. Gerade Medien sind ein gutes Übungsfeld, um ein Thema zu verstehen, das persönlich wie gesellschaftlich so viele Widerstände hervorruft. Denn Filme und Medien spiegeln gesellschaftliche Diskurse auf einzigartige Weise wieder – ebenso wie die Bilder in unseren Köpfen. Gerade in Bezug zu Rassismus ist interessant, dass viele wenn nicht die meisten stereotypen Vorstellungen über ethnische Gruppen gar nicht auf eigenen Erfahrungen beruhen, sondern auf medial vermittelte Bilder.
Tatsächlich steht die Konstruktion von stereotypen Fremdbildern nie für sich allein, sondern immer in Relation zu den Bildern, die wir von uns selbst konstruieren. Genauer gesagt: So wie wir ethnisch oder kulturell andere sehen, ist ausschlaggebend dafür, wie wir uns selbst sehen.
3. Hast du in deiner akademischen Laufbahn auch selbst rassistische Erfahrungen machen müssen? Welchen Umgang hast du damit gefunden?
Ich glaube, für Menschen mit internationaler Geschichte ist es nicht ungewöhnlich, Rassismus zu erleben. Und tatsächlich habe auch ich Erfahrungen damit in der Schule machen müssen. Auch an der Uni waren rassistische Sprüche von Profs kein Tabu. Allerdings waren das glücklicherweise Ausnahmen. In so hierarchisch organisierten Systemen wie Schule und Universität haben Schüler:innen und Studierende nicht viele Möglichkeiten, auf Diskriminierungen aufmerksam zu machen, ohne sich selbst Wege zu verbauen.
Für meine Arbeit mit Diversity und Anti-Rassismus sind diese Erfahrungen aber nicht die treibende Kraft. Viel spannender finde ich: Wir alle haben Vorstellungen über Rassismus, können aber nur schwer darüber sprechen. Dabei erlebe ich ein großes Bedürfnis dieses Thema besprechbar zu machen; sich darüber zu verständigen, das so schwer zu verstehen ist; sich darüber anzunähern, was einen trennt.
Rassismus kategorisiert Menschen, bewertet sie, grenzt sie aus und diskriminiert sie. Verrückterweise wird die Spaltung, die so typisch für Rassismus ist, im Sprechen über Rassismus fortgeführt. Genau dagegen will ich etwas tun.
4. Wie erlebst Du den derzeitigen gesellschaftlichen Diskurs über Diversität?
Auch wenn wir uns unheimlich viel mit Diversität befassen, verbleiben wir aus meiner Sicht häufig an der Oberfläche. Sicherlich ist es per se eine gute Entwicklung, dass ein Bewusstsein für unterschiedliche Identitäts- und Diskriminierungsdimensionen vorhanden ist, dass wir uns Gedanken über Unconscious Bias und faire Sprache machen.
Gleichzeitig finde ich, die wesentlichen Fragen werden nicht gestellt: Wie schaffen wir nicht trotz sondern gerade wegen unserer Unterschiedlichkeit Kulturen der Zugehörigkeit und des Zusammenhalts? (Ich glaube fest daran, dass davon tatsächlich alle profitieren würden) Potentiale und Intelligenz sind in unserer Gesellschaft gleich verteilt. Wie kann es sein, dass wir so viele menschliche Potentiale brach liegen lassen und negieren? Und wie können wir das ändern? Wie schaffen wir die kollektive Intelligenz in Organisationen anzukurbeln? Wie können wir in Systemen, die auf Wissen und Ideen basieren, produktive Fehlerkulturen befördern?
Im Diskurs um Diversity beobachte ich mehrheitlich ein „weg von“-Denken mit Fokus auf „Anti“ (Anti-Diskriminierung, Anti-Rassismus, Anti-Bias, Anti- was auch immer). Und in meinen Workshops und Coachings erlebe ich immer wieder eine große Angst, etwas Falsches zu tun oder zu sagen. Mit dieser Haltung kommen wir nicht weiter. Viel wichtiger ist: Wo wollen wir hin?
Ich denke, Ungleichheiten und Diskriminierungen sind Teil unserer Welt. Wir werden unweigerlich Fehler machen, Grenzen überschreiten und es wird immer wieder zu Verletzungen kommen. Dass all das passiert, ist unschön, aber nicht das Problem. Problematisch wird es erst, wenn wir keinen konstruktiven Umgang mit diesen Vorfällen entwickeln. In Organisationen, in denen Menschen Mut beweisen, Risiken eingehen und auch bereit sind, aus Fehlern zu lernen, profitieren alle davon – mit oder ohne Diskriminierungserfahrung.
5. Weshalb ist eine diverse Gesellschaft so wichtig? Wie wirken sich diverse Teamstrukturen im Job aus?
Wir leben in Deutschland schon lange in einer ethnisch und kulturell diversen Gesellschaft – auch wenn die Vorstellung der Einwanderungsgesellschaft sich mancherorts schwer durchsetzt. Für viele ist klar, dass wir diese Diversität würdigen wollen und müssen. Ich glaube, sehr viele Menschen teilen die Überzeugung, dass wir alle gesellschaftlich davon profitieren würden, wenn beispielsweise unsere Regierung alle Anteile der Bevölkerung abbilden würde; wenn in den Schulen alle Kinder Chancen auf Bildung hätten und nicht vornehmlich die Kinder von Akademiker:innen; und auch wenn in der Arbeitswelt die unterschiedlichsten Perspektiven und Lösungswege Gehör fänden und einen Beitrag leisten könnten.
Unternehmen, Organisationen und Bildungseinrichtungen können von diversitätssensiblen und inklusiven Kulturen nur profitieren. Je diverser, desto erfolgreicher – die Forschungslage ist da sehr klar.
Aber gelungene Diversität stellt sich nicht automatisch durch eine divers aufgestellte Belegschaft ein. De facto können Kommunikation sowie Arbeits- und Entscheidungsprozesse durch die Heterogenität in Organisationen sogar erschwert werden. Damit Diversität wirklich gelingt, brauchen wir psychologische Sicherheit und Arbeitskulturen, in denen Menschen ihre Ideen, Kritik und nicht zuletzt sich selbst frei ausdrücken können und auch anhand von Widerständen lernen können.
6. Du führst Workshops zum Thema Rassismus durch. Was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus diesen mitnehmen?
Ja, gerade die Workshops die ich für die sdw Stipendiat:innen anbiete sind sehr nachgefragt. In all den Kontroversen der letzten Jahre ist mir immer wieder aufgefallen, dass ein Thema, das so sensibel und historisch mit Schuld und Scham besetzt ist, nicht inhaltlich behandelt werden kann ohne zunächst einen emotionalen Zugang zu finden. Wir müssen uns unserer eigenen Verletzlichkeit und Befangenheit bewusst werden, um das Phänomen Rassismus in den unterschiedlichen Dimensionen zu erfassen.
Wir haben alle eine Meinung über Rassismus - allerdings ist diese selten sachkundig oder informiert. Die eigene Erlebniswelt ist wesentlich dafür verantwortlich, was wir unter Rassismus verstehen. Es ist eben nicht nur Diskriminierung, sondern auch ein System der Privilegierung, das alle gesellschaftlichen Wissensbestände durchdringt. In vielerlei Hinsicht brechen die neuen Erkenntnisse über Rassismus mit dem, wie wir gemeinhin unsere Welt sehen und verstehen.
In meinen Workshops geht es deshalb erst einmal darum, eigene Wahrnehmungen und emotionale Zugänge zu reflektieren, bevor wir uns mit Rassismus in seinen komplexen Facetten auseinandersetzen und Strategien entwickeln, ihnen zu begegnen.
7. Wie siehst Du den Diskurs um Rassismus und was wünschst Du Dir für die Zukunft?
Rassismus wurde die längste Zeit ignoriert, totgeschwiegen und tabuisiert. Und seit einigen Jahren erleben wir eine ungekannte Aufmerksamkeit für das Thema und eine wachsende Sensibilität für Rassismus in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Nichtsdestotrotz fällt das Sprechen über Rassismus den meisten Menschen sehr schwer und löst Befangenheit und Unsicherheit aus. Ich verstehe Rassismus als eine globale Beschämungsstrategie. Im Sprechen über Rassismus wird die Beschämung paradoxerweise reproduziert. Dabei können wir nicht erwarten, dass alle Menschen die gleiche Sprache sprechen, das gleiche Verständnis oder den gleichen Wissenstand über Rassismus haben.
Aber Rassismus ist zu wichtig und für alle in unserer Gesellschaft gravierend, als dass es wieder in der Schamecke verschwindet. Gerade weil das Thema für die meisten Menschen mit Schuld und Scham besetzt ist und folglich gesellschaftliche Spaltung begünstigt, müssen wir lernen, uns darüber zu verständigen und Brücken zu bauen. Ich bin überzeugt, dass das, was zwischen Menschen passiert, auch nur zwischen Menschen geheilt werden kann.
Wir müssen einen konstruktiven Umgang entwickeln, um dieses herausfordernde Thema besprechbar zu machen. Denn nur, wenn wir darüber sprechen, können wir auch gegen Diskriminierung vorgehen und psychologisch sichere Lebens- und Arbeitswelten schaffen.