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„Den Umgang mit Geld in der Schule zu thematisieren, fördert Chancengerechtigkeit, da so allen Kindern ein Zugang zu finanzieller Bildung und zu gesellschaftlicher Teilhabe ermöglicht wird.“

Dinah-Marie Wiedenhöfer ist Promotionsstipendiatin in unserem Studienförderwerk Klaus Murmann. In ihrer Promotionsarbeit geht Frau Wiedenhöfer der Frage nach, wie der Umgang mit Geld im Grundschul-Matheunterricht gefördert werden kann. Dafür hat sie insbesondere für den Unterricht in dritten und vierten Klassen Konzepte zu den Themen „Geld und Zahlungsverkehr“, „Haushalten“ und „Ausgaben und Kaufen“ entwickelt.

Ihr Ziel: Mathematik soll alltagsnah vermittelt werden. Mathematische Kompetenz ist die Basis für einen guten Umgang mit Geld. Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, verantwortungsbewusste Entscheidungen für eine nachhaltige Zukunft zu treffen. 

Bereits ab März 2024 sollen die entwickelten Unterrichtskonzepte für die Fortbildung von Lehrkräften bereitgestellt werden, um die Erkenntnisse der Forschung auch verstärkt in der Schulpraxis anzuwenden.

Was ist das genaue Thema Ihrer Forschungsarbeit? 

Mein Forschungsthema ist die Förderung des Umgangs mit Geld in der Grundschule. In meiner Arbeit beschäftige ich mich damit, welche Kompetenzen Dritt- und Viertklässler für gute Entscheidungen im Umgang mit Geld benötigen und wie diese vom Mathematikunterricht ausgehend gefördert werden können. Dabei ist es mir im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung wichtig, dass nicht rein persönliche Nützlichkeitserwägungen Grundlage von Finanzentscheidungen sind, sondern die Schülerinnen und Schüler zudem bedenken, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen auf ihre Mit- und Umwelt in der Zukunft haben.

Worin liegt Ihre Motivation, sich im Rahmen Ihrer Promotionsarbeit für zukunftsorientierten Unterricht einzusetzen? 

Ich habe bereits während meiner Studienzeit Workshops zum Umgang mit Geld entwickelt und an Schulen durchgeführt. Dabei habe ich festgestellt, dass Grundschulkinder großes Interesse an Geldthemen haben, aber meist wenig Erfahrung und Kompetenzen dazu besitzen. Das deckt sich mit Studien, die zunehmenden Überschuldungsraten bei jungen Menschen auf unwirtschaftliche Haushaltsführung zurückführen, was zeigt, dass Kompetenzen zum Geldmanagement fehlen. Eine finanzielle Grundbildung wird allerdings in der Zukunft immer nötiger sein, da Menschen gerade in Finanzfragen vermehrt auf sich allein gestellt sind und auch aktuelle Entwicklungen, wie die zunehmende Inflationsrate einen gut durchdachten Umgang mit dem eigenen Geld voraussetzen. Den Umgang mit Geld in der Schule zu thematisieren, fördert meiner Meinung nach zudem die Chancengerechtigkeit, da so allen Kindern ein Zugang zu finanzieller Bildung und perspektivisch zu gesellschaftlicher Teilhabe ermöglicht wird.

In Praktika habe ich zudem oft erlebt, dass schon Grundschulkinder die Sinnhaftigkeit dessen, was sie im Mathematikunterricht lernen, hinterfragen und die Motivation am Fach verloren geht. Inhalte wie z. B. Überschlagsrechnungen werden von Kindern als überflüssig angesehen, weil sie im regulären Unterricht meist als zusätzlicher Schritt vor dem Berechnen des exakten Ergebnisses verwendet werden. Gerade an solchen Stellen will ich ansetzen und den Kindern den Anwendungsbezug stärker zeigen – Überschlagsrechnungen können beispielsweise beim Einkaufen sehr wichtig sein, um Einkaufssummen zu überprüfen und sich nicht „übers Ohr hauen“ zu lassen.

Wie sehen Ihre konkreten Ideen für mehr bewussten Umgang von Schülerinnen und Schülern mit Geld aus? 

Mein Unterrichtskonzept besteht aus neun Stunden, welche in drei Module aufgeteilt sind: „Geld-und Zahlungsverkehr“, „Haushalten“ und „Ausgaben und Kaufen“. Zu Beginn sollen grundlegende Fragen zum Geld und zu Preisen geklärt werden, indem die Kinder durch Experimente herausfinden, dass Geld als Mittel zum Tausch verwendet wird und damit den Tauschhandel erleichtert. Durch konkrete Handlungen mit Geld sollen die Kinder zudem den Aufbau unserer Währung besser verstehen und durch Simulationen können sie erleben, wie Preisveränderungen durch Angebot und Nachfrage bedingt werden.

Anschließend erfolgt eine Einführung in das Haushalten mit Geld, indem grundlegende finanzielle Konzepte, wie „Einnahme“, „Ausgabe“ und „Sparen“ geklärt und Sparraten berechnet und mathematisch dargestellt werden. Das Ziel in den folgenden Stunden ist es, dass die Schülerinnen und Schüler, im Sinne des erfahrungsbasierten Lernens, eigene Haushaltspläne führen: Das Geld, das sie innerhalb der Unterrichtsstunden verdienen, muss so verwaltet werden, dass das gemeinsam gesteckte Sparziel am Ende erreicht wird.

Im Modul „Ausgaben und Kaufen“ werden Einkaufssituationen dargestellt, bei denen es darum geht, Preise passend einzuschätzen, Überschlagsrechnungen auszuführen und durch die Anwendung von Mathematik Werbetricks und Mogelpackungen zu entlarven. Auch die umweltliche Nachhaltigkeit wird thematisiert und in Ausgabeentscheidungen miteinbezogen.

In jeder Stunde werden mathematische und finanzielle Kompetenzen gefördert. Zudem wird auf metakognitive Kompetenzen eingegangen, indem thematisiert wird, wie rationale Entscheidungen getroffen werden können und wie das kritische Denken und das Stellen von kritischen Fragen Geld-Entscheidungen verbessern können. Auch Strategien zur Selbstregulation werden besprochen, um z. B. der sofortigen Gratifikation zu widerstehen.

Genaueres lässt sich auch auf den Seiten des Math-Activity-Center nachlesen: https://math-activity.center/projekt/förderung-des-umgangs-mit-geld-der-grundschule

Welche Erwartungen haben Sie in Bezug auf die praktische Anwendung Ihrer Forschungsarbeit? 

Ich hoffe, dass das Thema „Umgang mit Geld“ in der Grundschule mehr Aufmerksamkeit bekommt und immer mehr Lehrkräfte die Chancen nutzen, den Unterricht zukunftsfähiger zu gestalten. Dabei soll finanzielle Bildung nicht als Add-On zum regulären Unterricht angesehen und umgesetzt werden: Aufgrund der vielen mathematischen Grundlagen, die für gute Geldentscheidungen benötigt werden, eignet es sich, das Thema vom Mathematikunterricht ausgehend umzusetzen. Dadurch erhoffe ich mir, dass auch mehr Lehrkräfte gewillt sind, die Stunden des Unterrichtskonzepts oder ähnliche Stunden selbst durchzuführen und der Umgang mit Geld somit umfassender gefördert wird.

Natürlich hoffe ich auch, dass das Konzept einen nachhaltigen Effekt auf das Wissen der Kinder und dadurch auf ihr zukünftiges Finanzverhalten hat und nicht zuletzt, dass das Unterrichtskonzept anschlussfähig an den Unterricht der Sekundarstufe ist – dies zu untersuchen, bedarf dann allerdings weiteren Langzeitstudien.

Warum haben Sie sich für ein Stipendium der sdw entschieden? 

Ich habe mich für ein Stipendium der sdw entschieden, weil ich mich mit dem Leitbild und den Zielen der Stiftung identifiziere. Ich selbst übernehme gern gesellschaftliche Verantwortung und bin fest davon überzeugt, dass Bildung und Schule die Grundlage für die Zukunft unserer Gesellschaft bilden.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist das Netzwerk und die vielfältigen Veranstaltungen, welche die sdw bietet. Die Vernetzung ermöglicht es mir, meinen eigenen Horizont zu erweitern und neue Perspektiven einzunehmen. Durch die Teilnahme an sdw-Veranstaltungen kann ich an meiner Professionalisierung arbeiten und meine Fähigkeiten ausbauen.

Ich schätze auch die Angebote speziell für Promovierende. Diese sind für meine akademische Entwicklung äußerst relevant und zeigen, dass die sdw auch gezielt in die Weiterbildung und Förderung von Nachwuchswissenschaftlern investiert.

Was nehmen Sie aus dem Stipendium für Ihre Zukunft mit? 

Ich nehme aus dem Stipendium den Willen und die Motivation mit, die Zukunft aktiv mitzugestalten und dieselbe Begeisterung für Weiterentwicklung zu zeigen, wie sie von der sdw vermittelt wird. 

Welchen beruflichen Weg streben Sie nach der Promotion und dem Stipendium an? 

Zunächst möchte ich mein Referendariat angehen, und weitere Schulpraxiserfahrungen sammeln. Im Anschluss möchte ich gerne die Arbeit als Grundschullehrerin mit der Forschung verbinden und so die Bildung in der Primarstufe durch empirische Forschungserkenntnisse selbst mitgestalten und optimieren.

 

Vielen Dank für das Interview und vor allem für Ihr großes Engagement. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!


Foto: privat