Von Falkenhausen hat in ihrer Dissertation untersucht, ob deutsche Unternehmen den Opfern von Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten nach deutschem Recht auf Schadensersatz haften. Ihre Forschung gibt damit wichtige Impulse für den aktuellen Diskurs der Bundesregierung über ein Lieferkettengesetz. Die Ergebnisse der jungen Frau sind beachtlich: Aktuell setzt das das sogenannte Deliktsrecht Anreize, dass Unternehmen sich so wenig wie möglich in die Zustände der eigenen Zulieferer involvieren. Zudem werden unter diesem Recht Menschenrechte nur ausschnittsweise geschützt. Außerdem bedarf eine effektive Neuregelung der Haftung auch unbedingt eine Neudefinition davon, was Menschenrechte für Unternehmen bedeuten sollen.
Der Deutsche Studienpreis wird jährlich verliehen und zeichnet exzellente Dissertationen von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung aus. Die drei Spitzenpreise sind mit jeweils 25.000 € dotiert, die sechs zweiten Preise mit 5.000 €. Die Preisträgerin hat an der Georg-August-Universität Göttingen in der juristischen Fakultät promoviert. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt:
Wie bist du zu deinem Promotionsthema gekommen?
Direkt vor meinem Studienabschluss war ich an der Uni Teil eines Projektes über die Rolle von Menschenrechten in Investitionsstreitigkeiten nach internationalen Investitionsschutzabkommen – danach war mein Interesse an der Rolle der Menschenrechte im internationalen Wirtschaftsverkehr geweckt. Ich nahm mir ein paar Wochen Zeit, um über die verschiedenen Aspekte dieses Themas zu recherchieren, und hatte bald eine ganze Liste von Einzelfragen, die mich interessierten. Da hörte ich von der Klage der Opfer eines Fabrikbrandes in Pakistan gegen das Textilunternehmen KiK vor dem Landgericht Dortmund auf Schadensersatz: Nach Ansicht der Kläger wusste KiK von den menschenrechtswidrigen Zuständen in der dortigen Fabrik und ließ sich dennoch von ihr beliefern – dafür sollte KiK nun haften. Das fand ich einen spannenden Ansatz und wusste schnell: Über diese Frage der Haftung möchte ich meine Arbeit schreiben. Zum Glück konnte mein Doktorvater sich auch für das Thema begeistern!
Glaubst du, dass sich Politik und Wirtschaft auf ein effektives Lieferkettengesetz einigen werden?
Als ich mit der Promotion anfing – im Jahr 2016 – hätte ich das niemals gedacht. Damals war das Thema noch nicht sehr bekannt und stand gar nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Inzwischen hat sich die Stimmung völlig geändert. Jetzt glaube ich, dass es bald ein Lieferkettengesetz geben wird – und hoffentlich wird es auch ein effektiv wirkendes Gesetz sein. In meiner Arbeit habe ich mir ein paar Gedanken dazu gemacht, wie ein solches Gesetz beschaffen sein muss, um effektiv sein zu können. Am besten wäre eine internationale Regelung – mindestens auf EU-Ebene. Aber auch für eine effektive deutsche Regelung fehlen mir in der aktuellen Debatte noch einige Punkte, etwa zum Begriff der „Menschenrechtsverletzung“ bei der Beurteilung von Unternehmenshandeln.
Wie konnte dich die sdw auf deinem Weg zur Promotion unterstützen? Was sind deine schönsten Erinnerungen an die Zeit als Stipendiatin?
Die Förderung durch die sdw hat mir in der Promotion die Freiheit geben, mich ganz auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ohne sie hätte ich mich nicht in Vollzeit der Forschung widmen können und meine Arbeit wäre bestimmt nicht so geworden, wie sie heute ist. Aber auch immateriell hat mir die Förderung der sdw viel gegeben – auch schon während meiner Zeit in der Studienförderung. Die Seminare und Akademien haben mir nicht nur interessante und vielseitige Menschen nahegebracht, sondern mich vor allem immer wieder mit anderen Perspektiven konfrontiert. Die Förderung hat mir die Möglichkeit gegeben, mich neben meinem Studium mit völlig neuen Themen zu beschäftigen und völlig andere Blickwinkel kennen zu lernen. Das war sehr bereichernd und immer sehr spannend!
Eines meiner Highlights aus der Förderung war zum Beispiel ein Seminar bei einem mittelständischen Betrieb, der Maschinen in der Verpackungs- und Sortiertechnik baut – im Jurastudium hätte ich sonst kaum die Möglichkeit gehabt, mir einen solchen Betrieb anzuschauen und mit dem Geschäftsführer über seine Arbeit als Familienunternehmer zu sprechen.
Wie geht es für dich nach der Promotion beruflich weiter?
Seit November 2019 bin ich Referendarin in Berlin am Kammergericht. Mein zweites Staatsexamen werde ich hoffentlich im November 2021 abschließen. Wie es danach weitergeht, das ist noch offen!