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Lily gegen die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen

Die Promotionsstipendiatin des Studienförderwerks Klaus Murmann berichtet über künstlerische Therapieansätze.

Stigmatisierung hat viele Gesichter und Adressaten. Auch Menschen mit psychischen Erkrankungen sehen sich oft einer Ausgrenzung gegenüber. Unsere Stipendiatin Lily, Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, beschäftigt sich in ihrer Promotion an der Universität Heidelberg mit dem Thema Schizophrenie. 

sdw: Worin drückt sich Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft aus? 

Lily: Psychische Erkrankungen sind, anders als körperliche Erkrankungen, häufig ein Tabuthema. Wenige Menschen sagen offen, dass sie zu einem/r Therapeut*in gehen. Der fehlende Kontakt mit Betroffenen und das fehlende Wissen über psychische Erkrankungen führt zu Angst und Vorurteilen. Menschen mit Schizophrenie sind besonders betroffen. Sie werden in Zeitungsartikeln, Filmen, Hörspielen oder Theaterstücken oft als unberechenbar, gewalttätig und gefährlich dargestellt. Menschen mit Schizophrenie haben deswegen häufig wenige und wenig unterstützende Beziehungen. Oft sind sie sozial sehr isoliert und haben z. B. Schwierigkeiten eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz zu finden.

sdw: Wie können künstlerisch-therapeutische Methoden Menschen helfen, mit ihrer Erkrankung umzugehen? 

Lily: Künstlerische Therapien (Kunst-, Musik-, Tanz-, Theatertherapie) arbeiten, im Unterschied zu herkömmlichen Psychotherapien, nonverbal, d. h. mithilfe verschiedener künstlerischer Medien. Menschen mit psychischen Erkrankungen können ihre Erfahrungen spielerisch in Bildern, Musikstücken, tänzerischen Bewegungen, Performances etc. bearbeiten und wiedergeben. Das ist dann besonders hilfreich, wenn Menschen Erfahrungen gemacht haben, die schwer in Worte zu fassen sind. Anders als ein Gespräch, ermöglicht diese Übersetzung der Erlebnisse von Betroffenen in künstlerische Prozesse und Produkte ein Eintauchen in und ein Nacherleben der Erfahrungen für Außenstehende oder ein Publikum. Die besonderen Erlebnisse einer Psychose oder eines Traumas zum Beispiel werden so kommunizierbar und nachvollziehbar.

sdw: Wie sollen die Ergebnisse öffentlich zugänglich gemacht werden? 

Lily: Ziel des Pop-up Instituts für Wissenschaftskommunikation, das ich zusammen mit Kerstin gegründet habe, ist es, gemeinsam mit Betroffenen, künstlerischen Therapeut*innen und Künstler*innen eine interaktive Ausstellung zu entwickeln, die ein Nachempfinden – nicht nur ein darüber Reden – der Erkrankung Schizophrenie ermöglicht: Wie fühlt es sich an, Schizophrenie zu haben? Die Ausstellung soll sich besonders an Jugendliche richten, die als "Future Change Agents" unsere Gesellschaft von morgen gestalten.

sdw: Ihr habt einen Förderantrag bei der VolkswagenStiftung eingereicht. Wie dürfen wir uns Eure Gesichter vorstellen, als der positive Bescheid hereinflatterte? 

Lily: Wir waren überglücklich und ein bisschen beängstigt gleichzeitig. Dass unser erster Forschungsantrag bei einer so umkämpften Stiftung bewilligt würde, hatten wir nicht gedacht. Jetzt müssen wir unsere Idee in die Tat umsetzen. Und davor haben wir natürlich großen Respekt.


Foto von Lily, die gegen die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen kämpft
Lily (re.) und Kerstin; Foto: privat