Emily Vontz (23) war Stipendiatin unseres Studienförderwerks Klaus Murmann und ist im letzten Jahr aus einem äußerst seltenen Grund aus der Förderung ausgeschieden: Sie ist im Januar 2023 als jüngste Abgeordnete in den Deutschen Bundestag nachgerückt. Als Mitglied der SPD-Fraktion vertritt sie seitdem den Wahlkreis Saarlouis, ist Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen und setzt auch ihr Studium weiter fort.
Ein volles Programm, deshalb haben wir uns gefreut, dass sich Emily anlässlich der anstehenden Europawahl die Zeit für unsere Fragen genommen hat. Wir haben mit ihr über das Leben als Abgeordnete gesprochen und darüber, warum der Einsatz für Demokratie heute ganz besonders wichtig ist.
Du bist jetzt seit über einem Jahr Mitglied des Bundestages. Was hat dich am meisten überrascht, was sind die größten Herausforderungen?
Als ich die Nachfolge von Heiko Maas angetreten habe, war ich 22 Jahre alt, habe im dritten Semester studiert und nebenher gejobbt. Entsprechend herausfordernd war der parlamentarische Alltag für mich in der ersten Zeit. Ich musste lernen, dass ich als junge Frau nicht von allen Parlamentarier:innen im politischen Betrieb akzeptiert werde. Gerade Politiker:innen rechter Parteien neigen dazu, mir nicht besonders respektvoll zu begegnen. An dieser Stelle musste ich also eine gewisse Widerstandsfähigkeit entwickeln.
Die Demokratie steht aktuell weltweit unter Druck. Populismus und Extremismus nehmen zu. Politikerinnen und Politiker werden häufig angefeindet und bedroht. Was ist deine Art, damit umzugehen?
Der weltweite Rechtsruck war für mich tatsächlich einer der wichtigsten Gründe, politisch aktiv zu werden. Ich hatte damals das Gefühl, selbst dringend etwas ändern und mich klar gegen rechts positionieren zu wollen. Die Übergriffe auf Politiker:innen, die wir dieser Tage erleben, verurteile ich scharf. Menschen, die sich politisch engagieren, müssen vor Hass und Hetze geschützt werden. Ich versuche, mich von den Anfeindungen nicht einschüchtern zu lassen und mich stattdessen weiterhin unaufhaltsam dem gewaltfreien politischen Dialog zu stellen.
Am 9. Juni wählt Europa. Welche Bedeutung hat diese Wahl für dich?
Die kommende Europawahl wird die erste jemals sein, bei der junge Menschen ab 16 Jahren wählen dürfen. In diesem Sinne wird die junge Generation ermächtigt, ihre Stimme zu nutzen, um die europäische Gemeinschaft mitzugestalten; diese Neuerung begrüße ich ausdrücklich! Erstarkendem Populismus die Stirn zu bieten und die europäische Idee zu verteidigen, ist eine generationenübergreifende und gesamteuropäische Aufgabe, der wir uns mit dieser Wahl alle gemeinsam widmen dürfen.
Und zum Schluss: Warum sollte man am 9. Juni unbedingt die eigene Stimme nutzen?
Reisefreiheit, eine gemeinsame Währung und kostenloses Roaming – all diese Annehmlichkeiten sind Errungenschaften der europäischen Union, die uns allen von Zeit zu Zeit den Alltag erleichtern. Und auch Klimaschutz, Datenschutz und Migrationspolitik sind Themen, die maßgeblich auf europäischer Ebene verhandelt werden. Entsprechend richtungsweisend wird sich das Wahlergebnis des 09. Juni auswirken. Wer an diesem Tag die eigene Stimme nutzt, gestaltet das Europa mit, in dem wir alle in den kommenden fünf Jahren leben werden.